Epilog


Wunden der Zeit, die niemals verblassen erst wenn ich sterbe, hör‘ ich auf sie zu hassen


 

Stimmen

Tag X +1

 

"Wach auf. Komm schon, steh auf",

krächzt die Stimme in seinem Kopf. Wie ein heiseres Flüstern und doch donnernd laut.

"Du hast Dir eine Belohnung verdient!"

"Nein ich will nicht!",

schreit er,

"Lass mich endlich in Ruhe!"

Die Worte hallen höhnisch von den grauen Betonwänden in der karg eingerichteten Wohnung zurück. Ruhe, er sehnt sich einfach nur nach Ruhe.

Um das Rauschen in seinem Kopf zu übertönen, macht er Musik an. Die Musik, die er immer am Morgen danach hört. Am Morgen nach der großen Schöpfung der Unendlichkeit für die Auserwählten.

"When I'm in this state of mind / I'm wishing I was blind / sometimes life is more than pain to me"

Die rauen Gitarren, der donnernde Bass und die treibende Double Base von Heaven Schall Burn dröhnen aus seiner teuren HiFi Anlage – der einzige Lusux, den er sich gönnt.

"Black blood, black tears".

Und heute müssten seine Tränen besonders dunkel sein.

Er geht ins Bad, legt das Waschbecken mit Toilettenpapier aus und ritzt sich den zehnten Strich in die Brust. Waren die ersten Schnitte noch unsauber und verwackelt, arbeitet er mittlerweile mit chirurgischer Präzision. Ein Blick, ein Schnitt, ein kontrollierter Schmerz. Kontrolle, in einem Leben ohne Zugriff.

Als das Blut auf den Boden zu tropfen beginnt und er sein Werk betrachtet, breitet sich eine ungewohnte Zufriedenheit in ihm aus. 10! Endlich geschafft. Ein Opfer für jedes Jahr seines Leidens. Für eine Weile verstummt die Stimme in seinem Kopf und er fühlt tatsächlich so etwas wie inneren Frieden. Er schließt die Augen und sieht Sara lächeln. Dort, wo die Kugel sie traf, in der Schläfe über dem rechten Auge, klafft nun jedoch ein Loch.

Dieses Bild wird ihn noch eine Weile begleiten - eine lächelnde Sara und eine fies grinsende Made.